Erst am letzten Spieltag den Sprung in die Relegation geschafft, dort dann gegen Kiel gerettet - keiner im Kader des VfL Wolfsburg hat so frische Abstiegskampf-Erinnerungen wie Sebastiaan Bornauw. Und der Belgier selbst war es, der im vergangenen Mai den 1. FC Köln rettete, sein Kopfballtor gegen Schalke bewahrte die Geißböcke vor dem direkten Abstieg am letzten Spieltag. Pikant: Stattdessen musste Werder Bremer in die 2. Liga - der Klub, der kurz zuvor Bornauws jetzigen Trainer Florian Kohfeldt beurlaubt hatte.
Droht dem Innenverteidiger jetzt mit dem VfL eine Saison, wie er sie gerade mit Köln erlebt hatte? "Das war eine andere Situation", sagt der 22-Jährige, der nach der Köln-Rettung für 14,5 Millionen Euro Ablöse vom FC nach Wolfsburg gewechselt war. "In Köln war es ,Alles oder nichts', das ist in meinen Augen hier noch nicht der Fall. Die Abstiegsränge sind nicht weit weg, aber die europäischen Plätze auch nicht." Verharmlosen will der Abwehrmann die Lage nicht, spricht durchaus von "Druck" - aber: "In der Zeit in Köln habe ich gelernt, mit solchen Situationen umzugehen." Und: "Ich liebe eigentlich diesen Druck, egal ob im Abstiegskampf oder in Spielen gegen große Gegner."




Beim VfL ist er auf dem Weg zum Stamm- oder vielleicht sogar Führungsspieler, stand in den letzten vier Bundesliga-Partien über die volle Zeit auf dem Platz - zuletzt als Mittelmann in der Dreier-Abwehrkette. Er sei ein „absoluter Mentalitätsspieler“, lobt Kohfeldt, "er tut uns als Spielertyp einfach sehr gut“. Seine Rolle als zentrale Abwehrfigur nimmt Bornauw an: "Mehr dirigieren, mehr Verantwortung übernehmen - das ist etwas, was ich gern mache." Dass er relativ jung ist und eher introvertiert wirkt, stört dabei nicht. "Das hat mit dem Alter nichts zu tun", sagt Bornauw, "ich versuche, immer positiv zu sein, war schon in der Jugend oft Kapitän, habe immer versucht, meinen Mitspielern zu helfen." Und das Spiel mit Dreierkette kennt er aus der Zeit, als er in Anderlecht Profi wurde. "Da habe ich alles gespielt, links, rechts, Mitte."
Dass seine Leistung beim 0:1 zum Hinrunden-Start in Bochum ordentlich war, interessiert ihn weniger, denn "ich bin nur zufrieden, wenn wir drei Punkte holen". Was ihn geärgert hat: "Als VfL Wolfsburg müssen wir eigentlich stark genug sein, um in den 30 Minuten nach dem Gegentor noch einen Unterschied zu machen - aber wir sind nicht zurückgekommen."
Das Team fiel damit in die Muster der Hinrunde zurück, verlängerte die Pleiten-Liste auf jetzt acht verlorene Pflichtspiele in Folge - trotz der Aufbruchsstimmung, die in der Winterpause und der Rückrundenvorbereitung immer wieder beschworen wurde. "Wir haben zehn Tage wirklich gut gearbeitet, hatten 30 überragende Minuten im Test gegen Paderborn." Trotz des Frust-Erlebnisses in Bochum müsse man daran festhalten, findet Bornauw - und am Samstag im Heimspiel gegen Hertha "das umsetzen, was wir in der Vorbereitung gemacht haben". Ob es dann ein schönes oder eher verkrampftes Krisenduell mit den ebenfalls schwächelnden Berlinern werde, "ist mir egal, solange wir drei Punkte holen".
An der Zeit wäre es - sonst könnte auch der Abstand zu seinem Ex-Klub noch größer werden, als Tabellensechster liegt Köln gerade mit acht Punkten Vorsprung auf dem Platz, den der VfL eigentlich angestrebt hatte. Wechsel-Reue kommt bei Bornauw dennoch nicht auf. "Das habe ich noch nie gedacht", sagt er. "Ich bin zu einem Verein gewechselt, der international spielt, habe mein Champions-League-Debüt gehabt. Natürlich haben wir gehofft, dass wir mehr Punkte haben - aber wir haben noch vier Monate, um daran zu arbeiten."
Und um dafür zu sorgen, dass sich der Druck am Saisonende nicht wieder so groß anfühlt, wie er und auch Kohfeldt es in der Vorsaison erlebt haben. Die Erinnerung an den Abstiegskampf im vergangenen Mai habe zwar mal in der Kabine für einen Spruch gesorgt, ansonsten aber gilt für die besondere Situation, die aus Gegnern im Abstiegskampf jetzt Verbündete im Abstiegskampf macht, eine alte Weisheit: "So ist Fußball."
Anzeige: Erlebe das DFB-Pokalfinale zwischen RB Leipzig und Eintracht Frankfurt auf WOW und fiebere live mit!