Leipzig. Der eine oder andere Fan im Stadion und vor dem TV wunderte sich am Sonntag kurz vor 20 Uhr. Da unterbrach Schiedsrichter Bastian Dankert die Bundesliga-Partie zwischen RB Leipzig und Hoffenheim für eine Trinkpause. Bei sechs Grad Celsius und bedecktem Himmel eine ungewöhnliche Entscheidung. Oder auch nicht. Denn der Unparteiische ermöglichte so Leipzigs Mohamed Simakan sein Fasten zu brechen. Der Franzose ist Muslim, verzichtet im noch bis zum Anfang Mai andauernden Ramadan von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang auf Essen und Trinken. Das Fasten ist wie die Wallfahrt nach Mekka eine der fünf Säulen des Islam. Sport und gesunde Ernährung gehen eigentlich Hand in Hand, vor allem für Profis. Wie genau passt da das Fasten ins Konzept?
Ramadan ist eine Säule des Islam
„Das ist alles eine Frage der Organisation und des Glaubens“, so der Franzose. Er ist nicht der einzige am Cottaweg, der aktuell fastet. Auch Amadou Haidara isst und trinkt in diesen Tagen erst, wenn die Sonne am Horizont verschwunden ist. „Ich mache das seit Jahren, mein Körper hat sich daran gewöhnt“ erzählte „DouDou“ schon vor zwei Jahren. Im Training müsse dann eben eine Munddusche und etwas Wasser über den Kopf reichen.



Vor allem der Verzicht auf Flüssigkeitszufuhr sei nicht unproblematisch, weiß Dr. René Toussaint, einer von zwei Mannschaftsärzten des SC DHfK Leipzig. Auch beim Handball-Bundesligisten befolgt ein Profi die Gebote des Ramadan: Keeper Mohamed El-Tayar. Der ist gerade mit dem ägyptischen Nationalteam auf Länderspielreise. Weite Teile des Teams fasten. „Wir werden großartig unterstützt“, erklärt der 26-Jährige gegenüber der LVZ. So würde etwa die Trainingsintensität anders gesteuert und die Einheiten auch zeitlich flexibel organisiert.
Letzteres sei insbesondere wichtig, so Toussaint. „Das veränderte Ess- und Trinkverhalten ist eine große Herausforderung für den Sportler. Letztendlich werden die sportlichen Belastungen vom Körper nicht so zeitnah kompensiert, wie das normalerweise der Fall wäre, da ein Flüssigkeits- und Energiemangel bestehen kann. Deshalb sollten Sportler die Trainingseinheiten möglichst in den Abend legen, um die Defizite schnell auszugleichen.“ El-Tayar erzählt, dass er sich den überwiegenden Teil der Zeit normal fit fühle, ausreichend Energie habe. Es gebe aber auch andere Momente. „Dann lasse ich es etwas langsamer angehen, entscheide mich für leichtere Übungen.“ Beim SC DHfK war das Fasten kurz Thema. „Das wurde mit den Trainern besprochen und Milos Putera hat das Torhütertraining entsprechend angepasst“, erklärt der Mediziner.
„Mein Glaube macht es mir leicht“
Training ist das eine, Wettkampf das andere. Der lässt sich nicht einfach verlegen. Spiele finden oft in den Abendstunden statt, wenn der Körper nach einer langen Phase ohne Nahrung und Flüssigkeit eigentlich geschwächt ist. „Sobald die Sportler können, sollten sie sofort als Ausgleich für die Defizite Flüssigkeit und Nahrung, in Form von hochwertigen Eiweißen und gesunden Fetten, zu sich nehmen. Dass die Bundesliga das am Sonntag ermöglicht hat, ist ein tolles Zeichen“, so Toussaint. Simakan griff neben der Trinkflasche auch zu einem Energiegel. Der Franzose wusste Bastian Dankerts Geste sehr zu schätzen, bedankte sich auf dem Feld und anschließend auch via Twitter.
Offiziell geregelt sind diese Unterbrechungen im Handball ebenso wenig wie im Fußball. „Eine generelle Anweisung gibt es dazu zwar nicht, aber wir unterstützen es natürlich, wenn unsere Schiedsrichter auf Bitten der Spieler während des Ramadan solche Trinkpausen zulassen“, sagte Lutz Michael Fröhlich, Geschäftsführer Sport und Kommunikation der DFB Schiri GmbH, am Montag. „Das sollen sie gerne auch weiterhin so handhaben.“
Bleibt die Frage: Wie organisiert ein Profi in diesen Wochen sein Leben? „Es ist in der Nacht eine schwierige Balance zwischen Flüssigkeits- und Energiezufuhr und ausreichend Regeneration in Form von Schlaf“, weiß Toussaint. „Ich esse erstmals ab Sonnenuntergang und danach mehrmals am Abend kleine Mengen. Eine Stunde vor Sonnenaufgang stehe ich dann noch einmal auf und esse ein letztes Mal“, erklärt Mohamed Simakan seine Abläufe. Ähnliches erzählt Handballer El-Tayar. „Mein Tag und auch meine Schlaf-Routine ändern sich während des Ramadan.“ In der trainingsfreien Zeit lese er im Koran und bete viel. „Jeder erwartet, dass ich sage, das alles sei hart. Aber das ist es nicht, ganz im Gegenteil.“ Er freue sich jedes Jahr auf diesen Monat. „Es mag verrückt klingen, aber ich spiele besser, wenn ich faste. Mein Glaube macht es mir leicht.“
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