10. Mai 2022 / 16:54 Uhr

Streaming-Rekord beim Tischfußball: Eine Million Zuschauer bei der Deutschen Meisterschaft

Streaming-Rekord beim Tischfußball: Eine Million Zuschauer bei der Deutschen Meisterschaft

Bruno Tschoner
RedaktionsNetzwerk Deutschland
My Linh Tran gewann nach dem Einzel auch das Damen-Doppel, gemeinsam mit Maura Porrmann.
My Linh Tran gewann nach dem Einzel auch das Damen-Doppel, gemeinsam mit Maura Porrmann.
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Packende Duelle bei den deutschen Meisterschaften brachten dem Tischfußball-Sport Rekordzahlen ein. Weltmeister, Liebhaber und Laien trafen in Münster aufeinander - mit überraschenden Ergebnissen.

Sportlich dominiert von der Hamburger Kickerszene liefert die deutsche Tischfußball-Meisterschaft in Münster beeindruckende Zahlen: 540 Aktive an 75 Tischen auf 1000 qm in der Uni-Mensa am Ring und über eine Million Aufrufe an den Endgeräten der Livestreamübertragung über das gesamte Wochenende hinweg. Ein Zuschauerrekord von über 10500 aktiven Streamzuschauern war beim Damenfinale zu verzeichnen. Organisatoren, bestehend aus Ehrenamtlichen, Spielern und einer Abordnung des DTFB (Deutscher Tischfußballbund), sehen sich bestätigt, dass ihr Sport Potenzial hat, aus der Nische gehoben zu werden. Vor allem das Doppelfinale der Herren mit Weltmeister Tommy Haas und Felix Droese gegen Hamburger Nico Wohlgemuth und Oli Schlancke lieferte beste Werbung für den Sport.

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Bis Freitag, 14.30 Uhr, herrschte in der Mensa am Ring noch normaler Betrieb im Mittagsgeschäft. Hunderte Studierende in Gesprächen vertieft beim Nachtisch oder an der Tablettrückgabe, eifrig arbeitendes Personal in Mensagewand. Von einem Kickergroßevent keine Spur. Doch die LKWs standen da schon unten am Aufzug bereit, die 75 Tische durch die Industrieküche in die Speisesäle zu verladen. In Akkordarbeit verwandelten Spieler und Spielerinnen des ansässigen Vereins „Schovelkoten Münster“, eine Crew des Tischherstellers und Unterstützers Leonhart und ein großes Team des DTFB die hellen Räume mit Holzboden in eine Kickerfestung.

Hamburger dominieren

Ein paar Stunden später starteten hunderte Aktive aus ganz Deutschland in den ersten Wettbewerb des Wochenendes, das Mixed, bei dem eine Frau und ein Mann ein Team bilden. Am Freitagabend wurde bis zum Halbfinale gespielt, am Samstag zwischen den Doppelwettbewerben lief das Halbfinale, also keine Mittagspause. Beispielsweise auch für die Favoriten Maura Porrmann und Cornelius Kniepert aus Hamburg, die am Ende das Rennen machten und den Titel holten. Sie gewannen gegen das Überraschungsteam Mike Kaufmann und Lydia Visser, ebenfalls aus Hamburg. Auf Platz drei: Max Hoyer und Michaela Klaaß aus – Hamburg.

Ein Trend, der sich in den weiteren Disziplinen fortsetzen sollte. Lediglich Martin Brath aus Köln, aktiv für die Kickercrew Bonn, schaffte am Sonntag im Einzel der Herren, den Hamburger Siegeszug zu stoppen. Gegen Fabian Bein aus Berlin blies Brath zur spektakulären Aufholjagd und gewann 3:2 in Sätzen. „Ich hatte so viele schwere Spiele heute. Im Viertelfinale gegen Long Long Krutwig, eins meiner Idole, und jetzt das. Ich weiß noch gar nicht, was ich sagen soll“, so Brath unmittelbar im Anschluss an seinen Coup, den Tränen näher als dem eigenen Wortschatz. Brath trainiert in der Kickerfabrik Köln und stellt in diesem Video sich und seine Location vor.

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Martin Brath setzte sich im Herren-Einzel gegen starke Hamburger durch.
Martin Brath setzte sich im Herren-Einzel gegen starke Hamburger durch. ©

Ein Wettbewerb mit Diversität

Eine Besonderheit bei der DM 22 in Münster: Die Meisterschaft wurde als offener Bewerb ausgetragen, das heißt jede und jeder mit einer Meldung bei einem Landesverband durfte mitspielen. So fanden sich unter den 540 Aktiven auch ein paar Ausflugsgäste, die gerne spielen, aber nicht der Ambition, sondern des Events wegen. Die gehörten aber zur Ausnahme.Was an Kickern Sport ist? Ein Großteil des Teilnehmerfelds lieferte die Antwort. In voller Sportmontur und unter Hochspannung ließen Athleten in Trikots von Eintracht Frankfurt, Kickers Würzburg oder, wie Mario Lachetta und Tim Wegener, im Arminia Bielefeld Dress die Luft knistern. Seit rund zwei Jahren befindet sich der lokale Tischfußball unter dem Dach des populären Klubs aus Ostwestfalen. Ein Trend, der die Runde macht und sicherlich die Wahrnehmung zum Tischfußball als Leistungssport fördert.

Siegerehrung: Simon Fabrega und die Sankt Paulianer machten den Sieg unter sich aus.
Siegerehrung: Simon Fabrega und die Sankt Paulianer machten den Sieg unter sich aus. ©

Beim FC St. Pauli ist dieses Prinzip schon verinnerlicht, wenn auch weit über den Leistungssport hinaus. Der Kiezklub ist mit über 400 Mitgliedern größer als mancher Landesverband und engagiert sich für den Breitensport, beispielsweise für Beeinträchtigte. „Mit drei Spezialtischen für Rollifahrer, die im Clubheim in den Turnier- und Trainingsbetrieb für Stehende inkludiert werden“, wird das verbindende Spiel allen zugänglich gemacht, erklärt Luciano Auria, Verantwortlicher vom FCSP. Das ist noch Seltenheit, weshalb die Sektion, angereist mit dem Kleinbus aus St. Pauli, oft noch unter sich spielt. Außer dem Champ Simon Fabrega waren alle Teilnehmenden Sankt Paulianer.

Das sportliche Highlight des Wochenendes lieferten Nico Wohlgemuth und Oli Schlancke aus Hamburg im Doppel der Herren. Schon im Halbfinale bildete sich beim Spiel gegen die Weltmeister Marvin Velasco und Jörg Harms eine große Traube um den Tisch der Beiden. Nach dem Spiel, das mit dem letzten Ball zum 8:7 entschieden wurde, warteten im Finale der Lokalmatador Felix Droese und der ehemalige Weltmeister Thomas Haas, in Favoritenstellung. Am Ende hieß es 3:0 in Sätzen für Wohlgemuth Schlancke. Was klar klingt, bedeutet in Toren 15:12. Vor allem aber die Art und Weise des Spiels bereitete Freude. „Das ist technisch alles so schnell und anspruchsvoll und sieht so leicht aus. Das ist das höchste, was Kickern zu bieten hat“, jubilierte Nils Hahne im Livestream. Das Endspiel und die gesamte Deutsche Meisterschaft können im Relive auf Twitch verfolgt werden.

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Der Livestream war durch verschiedene Kommentatoren und die Übertragung wieder ein Erfolg, kleiner technischer Wackler zum Trotz. Das Format scheint den Zahlen nach auf der Zockerplattform Twitch Potenzial zu haben. Beim Damen-Einzel wurde sogar ein neuer Zuschauerrekord aufgestellt. 10.700 Menschen sahen gleichzeitig am Bildschirm das Spiel zwischen My Linh Tran und Susanne Holocher, wobei die Hamburgerin Tran sich als unschlagbar zeigte. Auch im Doppel war an ihr und Maura Porrmann kein Vorbeikommen. Die beiden Spielerinnen aus Hamburg, wie alle Siegerteams für die Weltmeisterschaft qualifiziert, zählen auch dort zum Favoritenkreis. Und: Sie räumen gerade mit allen Geschlechterdebatten auf und sind absolute Vorbilder wie professionell gespielt wird, für angehende Spielerinnen und für alle Tischfußballbegeisterten.